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Usbekistan - Mitten in der Seidenstrasse umgeben von neuen Freunden

27. März 2020

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Ich stand an der Grenze und konnte Kasachstan relativ reibungslos verlassen. Die Usbeken untersuchten aufgrund der Virusvorkommnissen zuerst einmal meine Körpertemperatur und danach meinen Pass. Mir ist bewusst, dass ich nebst meiner schweizerischen Art relativ asiatisch aussehe. Ehrlich gesagt sehen einige Personen im zentral asiatischen Raum sehr ähnlich aus wie ich. Das war wohl auch der Grund weshalb mein Schweizer Pass für etwa 30 Minuten auf dessen Originalität untersucht wurde.


Sie schauten mein Fahrrad und mich ungläubig an und die einzig Englisch sprechende Zöllnerin fragte ob ich dann zwischen den Tagesetappen in Hotels übernachte. Meine Antwort war: “Yes, yes”. Ob ich in den grösseren Wüstenteilen auf den Zug wechsle, war die zweite Frage. Auch hier bekamen sie ein “Yes, yes” zu hören. So passierte ich schlussendlich die Grenze und wurde nicht schon im Voraus für das Wildcampieren eingeschränkt.

Bis heute musste ich zum Glück noch nie auf den Zug ausweichen.



Strassenverkäufer schützt sich vor dem Wind



Ich befuhr den Usbekischen Asphalt mit einem Gefühl von Freiheit. Der Asphalt währte nicht lange, denn die Strasse bestand praktisch aus Schlaglöchern. Diese Strasse ist die einzige West-Ost Verbindung zwischen Kasachstan und Usbekistan. So kreuzte ich häufig grosse Lastwagen. Diese fuhren meist nicht auf der durchlöcherten Strasse, sondern 5 Meter daneben wo sie sich mittlerweile im sandigen Untergrund, einen ebenerdigen Weg zurecht gefahren haben. Dennoch hatten viele Lastwagen pannen und mussten platte Reifen auswechseln. Die nicht mehr fahrbaren Reifen liessen die Lastwagenfahrer häufig ganz und im besten Fall mit einer Säge zerkleinert am Strassenrand zurück.

Die Abstände der Dörfer und damit der Zugang zu Nahrung und Wasser war nach wie vor um die 100 Kilometer. So fuhr ich zehn zusätzliche Kilometer in ein Dorf um mich mit dem Nötigen einzudecken. Ich trage zudem mein Abfall über viele Kilometer mit mir, um diesen dann in der Zivilisation angemessen entsorgen zu können. Abfalleimer sind jedoch generell selten aufzufinden. So versuchte ich einen kleinen Jungen am Strassenrand zu fragen wo ich meinen Abfall entsorgen könne. Er nahm ihn mir aus der Hand und lief in ein Laden. Ich bedankte mich bei ihm, schwang mich auf den Sattel und fuhr in Richtung Dorfausgang. Plötzlich hörte ich durch meine Kopfhörer ein Rufen von hinten. Der Junge von soeben fuhr mir mit seinem Fahrrad nach, um mir einen Kaugummi zu geben. Im Gegenzug konnte ich ihm etwas Schokolade anbieten. Am Dorfausgang wartete zudem ein etwas älterer Junge mit “Somsa” (Blätterteiggebäck gefüllt mit Hackfleisch) auf mich.

Die praktisch immer geradeaus verlaufende, schlechte Strasse führte weiter nach Kungrad. Die Schlaglöcher führten wohl dazu, dass das Kugellager des einen Schaltroellchens kaputt ging. Ich entschied mich bis Kungrad zu fahren und dort eine Lösung zu finden.


Etwas usbekisches Bargeld hatte ich glücklicherweise bei mir, da ich in einem Hostel in Kasachstan japanische Reisende traf und diesen die usbekischen “Som” abkaufen konnte. Dieses Geld reichte gerade noch um mich in Kungrad mit Essen zu stärken. Bargeldloses zahlen ist schon länger kein Thema mehr und so musste ich auf die Suche nach einer Bank gehen. Andere Fahrradreisende hatten mich jedoch vor der Geldautomatensituation in Usbekistan gewarnt, weshalb ich einige Dollar als Tauschwährung mit mir dabei hatte. Geldautomaten hat es in den Städten zwar einige dafür sind diese häufig nicht am Netz angeschlossen oder dann gar nicht erst mit Bargeld bestückt. So blieb mir nach drei Versuchen nichts anderes übrig als 100 Dollar in usbekische “Som” zu wechseln, was in der Landeswährung bedeutete, dass ich Millionär war. Ich kaufte mir zum ersten Mal auf dieser Reise überhaupt eine lokale SIM Karte, um meine weitere Reiseplanung und die damit verbundene Kommunikation sicher zu stellen.


Ich quartierte mich in einem Guest-House ein und ass in einem nahgelegenen Café mein Abendessen. In diesem Café wurde ich Zeuge wie ein Mann einen etwa 20jährigen brutal zusammenschlug. Ich vermutete, dass der Täter ein ziviler Polizist war, da er den Opfer eine Art Ausweis entgegenstreckte. Der Junge hatte wohl etwas Drogen bei sich und der Polizist liess sämtliche Wut an ihm raus und missbrauchte meiner Ansicht nach seine gesetzesausführende Position.

Am Tag darauf ging ich auf die Suche nach einer Lösung für das kaputte Kugellager. Ich lief in eine nahgelegene Autowerkstatt und der sogenannte "Master", der Eigentümer der Werkstatt, schickte seine beiden Jungs auf die Suche nach einem passenden Kugellager. Keine fünf Minuten spaeter waren sie zurück und schlugen ein neues Kugellager in das alte Schaltroellchen hinein. Ich musste selbst noch etwas die Position des Roellchens verändern aber es funktionierte einwandfrei und der Weiterfahrt stand nichts mehr im Wege.



100 Kilometer weiter gelangte ich in die erste wirklich grössere Stadt, Nukus. In einem sehr schönen Guest House verweilte ich drei Tage und lernte Julie und Mathijs aus Belgien kennen.

Mit ihnen hatte ich gute Gespraeche über verschiedene Reiseerlebnisse und auch ueber zukünftige Pläne. Die beiden hatten nämlich auch Tajikistan auf ihrer To do-Liste. Da sie aber mehrheitlich mit Bus und Zug reisen, würden die beiden früher auf der zweit höchsten befahrbaren Strasse, dem Pamir Highway sein. So hatte ich zwei neue Freunde und zugleich Vorreiter für den geplanten Weg gefunden. Als ich dann alleine weiterfuhr, bemerkte ich erst nach 80 Kilometern, dass ich wohl so tief in die Gespraeche und das Tschuesssagen vertieft war, dass ich meine Veloschloss prompt vergessen hatte. Dies bemerkte ich, da ich in einem Café was essen wollte und mein Fahrrad nicht abschliessen konnte. Da ich zum Glueck ueber eine SIM Karte verfügte, konnte ich das Guest House anrufen. Sie veranlassten, dass ein Taxifahrer noch an diesem Abend mir das Schloss vorbeibrachte. Ich wartete also bei diesem Café und entlöhnte den Taxifahrer wie vereinbart mit umgerechnet zwei Schweizer Franken und zusätzlich drei Franken Trinkgeld, was ihn sichtlich glücklich stimmte. Es war bereits dunkel als ich mich im Café verabschiedete. Aus der Tür geschritten, offerierten sie mir, dass ich im Vorhof schlafen konnte. Ich nahm dieses Angebot gerne an und verbrachte eine Nacht unter dem Dach.

Ich fuhr in Richtung Beruniy, hielt kurz am Strassenrand, als plötzlich ein Mann mit Fahrrad neben mir stand. Beide wieder auf ihrem Rad aufgestiegen fragte mich Nissom ob ich bei ihm Mittagessen möchte. Ich hatte Hunger war auch etwas müde und so sagte ich ihm gerne zu. Er führte mich zu seiner Familie und wir assen gemeinsam Nudeln, Brot und tranken Tee. Da Nissom nur sehr wenige Wörter Englisch sprach erklärte mir seine Frau in einem besseren aber dennoch gebrochenen Englisch, dass er als Elektriker arbeite. Seit Kasachstan ist es in den Familien üblich auf dem Boden auf einer länglichen, stoffigen Matte zu sitzend oder liegend sein Essen einzunehmen. Nissom gab mir nach dem Essen zu verstehen, dass ich noch etwas ruhen könne. So musste ich meine Liegeposition nicht gross ändern und schlief relativ rasch für etwa 1.5 Stunden ein. Als ich aufwachte wurde ich sehr freundlich gefragt ob ich gut geschlafen hatte, was auch der Fall war. Die Frage ob ich hier übernachten möchte konnte ich bei dieser herzlichen Familie auch sehr schnell mit “Ja” beantworten. Darauf hiess es, dass wir den Vater und die übrige Familie von Nissom besuchen gehen.


Der Vater wohnte in einfacheren Verhältnissen auf einem Hof. Der Austausch mit Händen und Füssen war aber nicht weniger herzlich. Die Enkelkinder hatten sehr Freude an mir und verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Ihr Familienunternehmen bestand aus der Weizen Verarbeitung, einigen Kühen und der Produktion von Baumwolle. Als es Abend wurde führte mich Nissom durch sein Quartier in dem er aufwuchs. Wir liefen an einem Saal vorbei in dem eine Hochzeit stattfand und gesellten uns gleich zu den Feiernden. Es war schön auch diesen Einblick in die Usbekische Kultur zu erhalten. Als wir weiter gingen liefen wir an einem kleinen Laden vorbei. Die Verkäuferin hatte grosse Freude an mir und schenkte mir ein Paar Socken. Unser Weg endete bei einem Freund von Nissom der noch weitere Kollegen eingeladen hatte. Es war eine schöne Runde, sie spielten Karten und ich hatte meine dritte Mahlzeit innerhalb von etwa drei Stunden offeriert bekommen. Sie baten mir Vodka an, was ich aus Prinzip ablehnte und sie damit auch etwas enttäuschte. Dennoch hatten wir eine lustige Zeit und Nissom und ein anderer Freund wollten mir im Anschluss das Städtchen Beruniy zeigen. Auch wenn es schon lange dunkel war, sah ich die wichtigste Strasse und ein Denkmal.


Als wir Zuhause ankamen machte seine Frau die beiden Schlafplätze für Nissom und mich bereit. Wie in Kasachstan und Usbekistan üblich, waren diese kissenähnlichen Liegen direkt auf dem Boden. Die Frau schlief gemeinsam mit den Kindern in einem anderen Zimmer. Als wir am morgen aufwachten spielte Nissom einige Lieder ab, bis er nach seinen Ohren das richtige gefunden hatte. Beim Lied “Time to say goodbye” hielt er inne und liess dieses dann komplett abspielen. Da ich kaum mit ihm direkt kommunizieren konnte, interpretierte ich, dass er den Text des Liedes nicht verstanden hatte. Glücklich über diese weitere zufällige Begegnung verliess ich Beruniy in Richtung Khiva.

Um in die Stadt Khiva und zurück zum ursprünglichen Weg zu gelangen, musste ich zusätzliche 100 Kilometer fahren. Aus meiner Sicht lohnte es sich:


Die Weiterfahrt durch die Wüste führte dazu, dass ich plötzlich drei Amerikanern gegenüber stand, welche während 1.5 Jahren zu Fuss der Seidenstrasse entlang gelaufen sind. Diese drei Jungs hatten einen sehr inspirierenden Eindruck auf mich und die drei Wägelchen welche sie mit sich brachten waren nicht weniger beeindruckend. Link zu ihrem Blog:

Entlang der Turkmenischen Grenze

Ich beendete einen schönen angenehmen Tag im Zelt und war überglücklich, dass die Strasse besser wurde. Unter diesen Bedingungen traute ich mir am nächsten Tag eine Distanz von über 200 Kilometern zu. Um dies auch zu erlangen stellte ich meinen Wecker auf 06:00 Uhr. Ich freute mich sehr auf die eigene Challenge und so kam es dass ich um 02:30 Uhr von selbst aufwachte. Dieser Tag habe ich als Teil dieses Videos von Usbekistan gestaltet:


So kam es, dass ich nach 275 Kilometern und 14 Fahrstunden auf dem Sattel, Bukhara erreichte. Für drei Tage checkte ich in einem Guest-House ein um die Stdt auch entsprechend erkunden zu können und mich auch der Erholung zu widmen. Letzteres fand ich besonders im Hammam in dem meine strapazierten Muskeln während 1.5 Stunden massiert wurden. Für den kulturellen Aspekt gönnte ich mir unteranderem eine Reiseführerin welche mich durch die Festung von Bukhara führte. Die Stadt und ihre Kultur hatte mich mit Ihrer Faszination definitiv gefesselt.

Arbeiter die während meinem Aufenthalt in Bukhara das Haus ausbauten

Während zwei Tagen raddelte ich weiter nach Samarkand, bestaunte die Stadt und fuhr dann weiter nach Tashkent da mich dort einige Ersatzteile des Ski und Velocenters erwarteten. Zu diesem Zeitpunkt erhielt ich von drei Touristinnen aus Vietnam ein Armband was mich auf meinem weiteren Weg beschützen soll.

Registan Square Samarkand

Der 19-jährige Alisher sah mich am Strassenrand Pause machen und lud mich zu sich ein

Rob und Bex aus England gemeinsam mit Uzbeken



Da das Tajikische Visum nicht nur in meinem Fall auf sich warten liess, traf ich die beiden Belgier Julie und Mathijs in der Hauptstadt Tashkent erneut. Schlussendlich erhielten wir mit Unterstützung aus der Schweiz alle drei das Visa und unserer Weiterreise stand nichts mehr im Wege. Die beiden nahmen das Flugzeug und das Auto und ich raddelte friedlich innerhalb eines Tages an die Tajikische Grenze.


 

In der untenstehenden Grafik sind der Projektstand und der Unterstützungsbetrag für das Hilfsprojekt in Davao, Philippinen ersichtlich:


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