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Raphael Clemencio

Tajikistan - Projektunterbruch und Faszination eines Landes

13. April 2020

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Der Tajikische Grenzposten wollte mich nicht reinlassen, da ihm der Schweizerpass nicht gefiel. Die Schweiz war von COVID-19 betroffen und dies war der Grund um nicht passieren zu können. Dass ich 2019 aufgrund meines Sportstudiums in China war, machte die Sache nicht einfacher. Als dann ein Vorgesetzter der Grenzwächter kam und sich mit mir entsprechend auf Englisch verständigen konnte, habe ich ihm klar machen können, dass ich bereits im Oktober die Schweiz verlassen hatte. So passierte ich die ersten zwei Grenzposten. Am dritten und letzten Grenzposten meinte der Zöllner, ich solle 10 Dollar Steuer bezahlen. Ich war gerade daran das Geld hervorzusuchen als mich ein Lastwagenfahrer ansprach. Er hatte mitbekommen, dass ich aus der Schweiz bin und sprach mit mir Deutsch, da er drei Jahre in Deutschland gelebt hatte. Fakha erklärte mir, dass ich diese „Steuer“ nicht wirklich bezahlen müsse, da diese für die Hosentasche des Zöllners vorgesehen sei und dies bei den Einheimischen nie verlangt werde. So fragte ich den Zöllner zu welchem Zweck dies sei und ob er mir diese Steuer noch gedruckt zeigen könne. Darauf musste ich diese 10 Dollar plötzlich nicht mehr bezahlen.



Fakha und ich unterhielten uns noch kurz, er lud mich zu sich nach Hause in der nächsten Stadt Khujand ein und ich händigte ihm noch zwei Schokoriegel zur Verstärkung aus. Ich fuhr alleine weiter und etwa 15km später staunte ich nicht schlecht, als ich einer Gruppe Leichtathleten im Dörfchen Buston begegnete. Diese trainierten auf einem ackerähnlichen Platz. Da mein Leben vor dem Fahrradfahren von der Leichtathletik stark geprägt war hatte ich eine unbeschreibliche Freude, Passionsträger aus einer anderer Nation zu treffen. Sie begannen mit mir zu sprechen aber niemand konnte Englisch. Sie riefen Nassim aus dem Geräteraum, der zwei Jahre älter war als ich und als Englischübersetzer zukünftig arbeiten möchte. Er übersetzte für die ganze Gruppe simultan. Ich stellte mein Rad ab und schaute ihnen etwas beim trainieren zu. Als die Hürden an der Reihe waren, konnte ich es nicht lassen und lief ebenfalls darüber. Ich hatte wahnsinnig Spass mit und an der Gruppe und soviel ich weiss, sie auch an dem fahrradreisenden Tourist aus der Schweiz, der asiatisch aussieht und Hürden laufen konnte.


Nassim lud mich im Anschluss gemeinsam mit dem Trainer und einem anderen Leichtathleten zum Essen in einem Café ein. Wir hatten einen gemütlichen Abend und als es bereits dunkel war, verabschiedete ich mich von ihnen. Etwas ausserhalb von Buston bog ich in eine kleine Nebenstrasse ein und stellte im dunkeln mein Zelt auf. Ich war bereits am einschlafen als ich plötzlich Schritte hörte. Der Mann sprach zu mir aus einiger Entfernung um wohl zu schauen ob jemand überhaupt im Zelt sei. Ich öffnete die Zelttüre und fragte mit Zeichensprache ob es okay sei hier zu übernachten. Der Mann offerierte mir in sein Haus zu kommen. Da ich aber erst gerade das Zelt aufgestellt hatte und am Morgen auch bei Zeiten losfahren wollte, lehnte ich dankend ab. Der allererste Tag in Tajikistan war ein wahrhaftiger Traum!


Bis in die Stadt Khujand waren es noch gut 40 Kilometer und als ich mir eine SIM-Karte kaufen wollte um mich bei Fakha zu melden, interessierten sich zwei Jungs für mein Velo und mich. Die beiden 17-jährigen Valijon und Jamshed konnten etwas Englisch und halfen mir eine SIM Karte und das entsprechende Datenpaket zu kaufen. Am Telefon meinte Fakha dann, er könne mich erst am Abend abholen und die beiden Jungs zeigten mir darauf die Stadt. Die Jungs sorgten für das Kulturelle und ich für das Kulinarische. Fakha gesellte sich dann später dazu und lud uns alle zu einem Stück Pizza ein. Valijon, Jamshed und ich verabredeten uns zudem fürs Baden am kommenden Tag. Als ich dann bei der Familie von Fakha ankam, wurde ich sehr herzlich empfangen. Besonders der Vater Ali hatte eine grosse Freude an mir und zeigte dies mit konstantem Lachen. Mit Fakha hatte ich vor dem zu Bett gehen noch sehr gute Gespräche und er erzählte mir viel von seinem früheren Leben in Deutschland und dem aktuellen als Lastwagenfahrer. Da uns nur zwei Altersjahre trennen standen wir uns in kurzer Zeit sehr nah. Was für mich sehr prägend war, dass wir beide an einem komplett anderen Lebenspunkt standen. So hatte Fakha eine wenige Wochen alte Tochter und verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem eigenen Lastwagen. Wie bereits bei anderen Familien schlief ich in diesem Zimmer wo derjenige schlief der mich einlud.


Familie von Fakha


Am Folgetag kümmerten wir uns um einige Mängel am Lastwagen, wobei ich mehrheitlich nur zusehen konnte. Auf dem Fussweg und auf der Suche nach Ersatzteilen, zog mich Fakha plötzlich am Arm damit ich nicht zu nahe an einen Kasten lief, der ans Stromnetz angeschlossen war. Mir wurde auch in solchen Momenten bewusst, dass ich mich weit weg von den Sicherheitstandards der Schweiz befinde. Da Fakha seine Verwandten eingeladen hatte um die Geburt seiner Tochter zu feiern und diese auch über Nacht blieben, begleitete er mich noch zu einem Hostel. Dort eingecheckt wurde ich dann wiederum von Valijon und Jamshed abgeholt und wir gingen in einem Hallenbad schwimmen. Die Mehrheit im Hallenbad aus sowjetischen Zeiten, konnten nicht wirklich schwimmen. Dennoch hatten die Jungs Spass und ich konnte ihnen zudem etwas Vertrauen im Wasser und in der Schwimmtechnik vermitteln. Ein weiterer Punkt fiel mir auch hier auf, als wir beim Verlassen des Hallenbades die Möglichkeit hatten, Tee oder Wasser zu trinken. Sämtliche (Besucherinnen) und Besucher des Bades konnten aus dem gleichen Schälchen trinken. Anmerkung: da die Öffnungszeiten nach Geschlecht aufgeteilt waren, waren zu meinem Zeitpunkt nur männliche Badegäste vor Ort. In Zeiten von COVID-19 ist eine solche Erfahrung sehr erschreckend und dennoch hatte es laut der Regierung noch keine bestätigten Fälle des Virus. Naheliegend ist in diesem Zusammenhang die Frage wie und in welcher Frequenz Personen getestet wurden.


Ich brach auf in Richtung Dushanbe, die Hauptstadt Tajikistan. Zwei 3000 Meter hohe Berge und einige Tunnels trennten mich davon. Am Fusse des ersten Berges zweigte ich in einer hügligen Landschaft auf eine Landstrasse ab. Ich stiess auf eine Bauernfamilie welche auf ihrem Acker am arbeiten war. Ich fragte den Vater ob ich mein Zelt auf ihrem Land aufstellen dürfe und er willigte ein. Interessiert betrachteten sie alle den Prozess des Entladen des Fahrrades und das Aufstellen des Zeltes. Die beiden Jungs versuchten mich dabei zu unterstützen wo sie nur konnten. Als alles stand, wartete ich mit dem Zubereiten des Nachtessens, händigte den beiden zum Dank eine Tafel Schokolade aus und schnappte mir ihren Ball worauf wir mitten in einem Spiel waren. Sehr glücklich über die Begegnungen und die fantastische Kulisse konnte ich dann wunderbar einschlafen.



So stand ich am Tag darauf am Fusse des Berges und konnte mein Weg auf einwandfreien Strassen fortsetzen. Fakha erklärte mir in Khujand, das Tajikistan gute Strassen von den Chinesen erhalten habe. Im Gegenzug überliessen sie ihnen anscheinend Rohstoffe wie Kohle und Gold, sowie die dazugehörigen Territorien. Da ich über das mobile Internet erfahren hatte, dass der Schweizer Bundesrat, Reisende auf der ganzen Welt zur Rückreise aufgefordert hatte, meldete ich mich telefonisch bei der für Tajikistan zuständigen Botschaft in Kasachstan. Der Mitarbeiter der Botschaft hatte Respekt vor meiner Reise, behielt kühlen Kopf und willigte ein als ich den Vorschlag brachte auf dem Schweizer Konsulat in Dushanbe vorbei zu gehen, was ich auch ohne Corono-Krise getan hätte um aktuelle Informationen über Tajikistan einzuholen. Zudem wurde ich telefonisch nochmals darauf hingewiesen was mir schon andere Radreisende berichteten: Die Tunnels in diesen Bergen haben kaum oder keine Belüftung und damit auch kaum Sauerstoff sowie selten eine angepasste Beleuchtung. Trocken meinte der Mitarbeiter am Telefon: wenn du hier mit deinem Fahrrad reinfährst, wirst du wohl sterben.




Mit meiner Motivation an diesem Tag war der Aufstieg ein leichtes. Ich freute mich auf die Berge und auf das Land Tajikistan in welches ich gerade begann einzutauchen. Vor dem Tunnel angekommen, streckte ich meinen Arm für eine Mitfahrgelegenheit aus und musste keine Sekunde warten als ein Lastwagen mir einen Platz für mein Fahrrad und mich anbot. Per Anhalter durch den Tunnel gefahren, blickte ich freudig einer serpentinenähnlichen Strasse für die kommende Abfahrt entgegen. Die Kulisse brachte mich jedoch dazu nicht alles in einem Zug runterzufahren und zwischendurch den Moment aufzusaugen und auch fotografisch festzuhalten.





Im Tal unten lag das Dörfchen Ayni und es erwartete mich der totale Kontrast mit rötlichen Felsen die mich ebenfalls zum staunen brachten. Wie am Vortag fuhr ich weiter an den Fuss des zweiten Berges und suchte auf etwa 1600 Höhemetern eine Übernachtungsmöglichkeit bevor es dunkel wurde. In einem Tierstall wurde ich fündig und freute mich darüber, dass ich mein Zelt nur im Falle von starkem Regen aufstellen musste. So übernachtete ich geschützt und doch mitten in den Bergen. Das nächste Dorf war wohl nicht so weit entfernt da ich nach dem Aufstehen einen Mann unweit meines Schlafplatzes entdeckte. Wie häufig in solchen Situationen machte ich mich bemerkbar, zeigte ihm mein Fahrrad und den Schlafplatz.



Der zweite Berg war leicht höher als der erste und ich konnte durch die Tunnels wiederum auf eine Mitfahrgelegenheit in einem Auto zählen. Mein Fahrrad wurde für den Transport auf das Dach gebunden. Wieder auf dem Fahrrad fuhr mir bei der Abfahrt dann der Lastwagenfahrer auf dem Rückweg aus Dushanbe entgegen, der mich am Vortag mitgenommen hatte. Mit Hupen und Lichtsignalen machte er wild auf sich aufmerksam und wir beide teilten die Freude an der erneuten Begegnung.



Bis nach Dushanbe ging es dann nur noch runter und ich war relativ zügig im Hostel Hello Dushanbe. Im Hostel wurde ich sehr freundlich von Ali empfangen der seit gut einem Jahr die Deutsche Sprache lernte. Wir tauschten uns kurz auf Deutsch aus und er erklärte mir, dass er an jenem Abend ein virtuelles Vorstellungsgespräch in einem deutschen Hotel habe. Ich richtete mein Zimmer ein und setzte mich danach zu Ali um ihm noch beim Feinschliff für das Vorstellungsgespräch zu unterstützen. Sichtlich nervös aber gut vorbereitet erhielt Ali danach die Zusage für eine dreijährige Lehre in Deutschland. Zur Feier des Tages lud ich ihn dann in ein Restaurant seiner Wahl ein und ich lernte mein Tajikisches Lieblingsgericht namens Qurutob kennen, welches wir traditionellerweise mit den Händen assen. Unser Transportmittel in der Stadt war ein sogenanntes Shared Taxi welches laut Ali in Tajikistan eigentlich illegal sei. Diese Taxis fahren den Buslinien entlang und laden auf diesen Leute ein und aus. Um möglichst unentdeckt zu bleiben, zeigen die Fahrer mit den Fingern oder indem sie ein kleines Plastikschildchen aufhalten, die Nummer der Linie auf der sie fahren.



Am Tag darauf setzte ich mein Vorhaben um und statte einen Besuch auf dem Schweizer Konsulat ab. Als ich die Sicherheitskontrolle mit meinem Schweizerpass problemlos passierte war die Konsulin gerade im Vorhof mit zwei Mitarbeitenden am diskutieren als mein „Grüessech mitenang“ sie zum unterbrechen zwang. Die Konsulin wusste bereits über meine Fahrradreise bescheid, dass ich im Land war da ich die gesamte Reise auf der Applikation des Schweizer Aussendepartements registriert hatte und sie zudem von der zuständigen Schweizer Botschaft in Kasachstan informiert wurde. Burgi bietete mir gleich unkompliziert das Du an und es war für mich schon nur schön mit jemandem Schweizerdeutsch zu sprechen wobei ihr die Sorgen über meinen Aufenthalt im Land auch ins Gesicht geschrieben waren. Sie wies mich klar auf den Aufruf zur Rückreise des Bundesrates hin und hörte sich dennoch meine Pläne über ein mögliches Ausharren im Lande an. Burgi machte mir klar, dass an diesem Wochenende wohl die letzten beiden regulären Linienflüge in Richtung Heimat gehen würden. Zudem war die Usbekische Grenze die ich vor einigen Tagen überschritten hatte, sowie die anderen weiterführenden Grenzen geschlossen. Nach einigen Abklärungen und Telefonaten entschied ich mich gegen den Rückflug und teilte dies Burgi mit. Darauf bot mir Burgi an, bis die Lage etwas klarer sei, bei ihr wohnen zu können. Dieses Angebot nahm ich gerne und sehr dankbar an. Einige Stunden nachdem Entscheid, wurden diese beiden letzten Flüge aus dem Land dann gestrichen.



Mit Burgi, Mathijs und Julie

Während dieser Zeit war ich auch mit Julie und Mathijs aus Belgien in Kontakt, die ich in Usbekistan kennengelernt habe. Sie waren bereits mit Auto und Guide in den Pamir Mountains und gaben mir den Strassenzustand und die Lage durch. Als sie jedoch von den Grenzschliessungen und Flugeinschränkungen hörten, kehrten sie um. Sie hatten einer dieser beiden letzten Linienflüge gebucht, welche dann gestrichen wurden. So befanden sie sich in einer ähnlichen Situation wie ich, weshalb ich Burgi auch um Asyl für das Paar bat. Herzensgut wie Burgi ist, willigte sie sofort ein und dies trotz höherem Risiko von einer möglichen Virusansteckung mit drei fremden Reisenden im Haus.

Fotos von Hanna:

Mit Hanna, Mika, Mathijs und Julie


Mit Burgi, Julie und Mathijs hatte ich nun drei Freunde mit denen ich wohnen konnte und auf einer Wanderung lernten wir noch Mika und Hanna aus Deutschland kennen. Mit ihnen hatte ich eine sehr entspannte und gute aber ungewisse Wartezeit. Auch wenn Tajikistan keine COVID-19 Massnahmen der Bevölkerung vorschrieb, versuchten wir die Empfehlungen aus der Schweiz in unserem Alltag anzuwenden. Somit gingen wir gerne Wandern und Tajikistan entdecken oder mit genügend „Social Distancing“ in ein Restaurant. Häufig hatte ich das Bedürfnis auf dem Fahrrad Tajikistan alleine zu erkunden. Die Situation erlaubte jedoch nicht mehr als eine Tagesetappe, da häufig unklar war was der morgige Tag politisch oder dann wettertechnisch brachte.

 


Mein Chinesisches Visum läuft in gut einem Monat ab und ich werde wohl kaum vorher die aktuell wegen der Corona-Krise geschlossene Grenze überqueren können. So sehe ich mich gezwungen an diesem Punkt nicht länger auszuharren und habe den Sonderflug der Deutschen Botschaft nach München genommen. Dies bedeutet sogleich der Unterbruch des Projektes two the wall. Die Entscheidung war nicht einfach, doch die vielen Erfahrungen und Begegnungen lassen mich weiterhin und unverändert lachen - Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich unter den Tajiken sehr wohl und willkommen fühlte. Unsere Fahrräder und die gesamte Ausrüstung funktionierte einwandfrei und erleichterte mir die Reise sehr! Ohne die Unterstützung der Sponsoren wäre die Umsetzung in dieser Art nicht möglich gewesen. Riesen Dank von meinem ganzen Sportlerherz an die Sponsoren und alle die David und mich unterstützt haben!


Ich freue ich mich eines Tages in dieses Land mit dieser fantastischen Natur zurück zu kehren und das Projekt beenden zu können!


I keep on cycling


Am Flughafen Dushanbe mit Julie und Mathijs - Foto von Hanna

 

In der untenstehenden Grafik sind der Projektstand und der Unterstützungsbetrag für das Hilfsprojekt in Davao, Philippinen ersichtlich:




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