07. Februar 2020
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Der letzte gemeinsame Grenzübergang verlief ohne Probleme und wir verbrachten noch einige Nächte an schönen Plätzen. In Poti nahmen wir eine Unterkunft und wir trennten unsere Ausrüstung. Dies war mit vielen aufwühlenden Emotionen verbunden und der Abschied war einer der schmerzhaftesten in meinem Leben.
So fuhr ich nun alleine und fragte bei einem Haus mit Handzeichen ob ich mein Zelt neben ihrem Haus aufstellen dürfe. Die Antwort war: Nein ich solle ins Haus kommen. Die gesamte Familie hatte grosse Freude an meiner Anwesenheit. Sie räumten den auf dem Erdgeschoss liegenden Keller auf und setzten darin ein Bettgestell zusammen. Die Matratze darauf war gemeinsam mit dem Lattenrost so stark in die Jahre gekommen dass die Liegefläche durchhängte. So hatte ich nun ein Hängmattengefühl für die kommende Nacht. Um meine Dankbarkeit zu zeigen, nahm ich die Axt und versuchte mich im verkleinern von Brennholz. Die Grossmutter der Familie war bis zu meiner Ankunft mit dem Brennholz beschäftigt und so versuchte ich ihren Teil zu übernehmen. Zwar hatte ich von meiner Kindheit viele Jahre Erfahrung mit Wald und Holz, doch man merkte sichtlich, dass ich fürs Büro und nicht für das harte georgische Landleben ausgebildet wurde. Die Familie und ich lachten gemeinsam herzhaft über meine Versuche und mit der Zeit kam ich mit der Axt etwas besser zurecht.
Sie brachten mir das Nachtessen in den Keller wo mein Bett stand und der Sohn Gocha wie auch die Tochter gesellten sich beim essen zu mir. Sie hatten sichtlich nicht viel, doch was gut funktionierte war ihr WiFi. So konnten wir uns mit der online Funktion der Übersetzungsapp relativ gut verständigen. Wir unterhielten uns nebst dem Kennenlernen über die Landesunterschiede und die politische Situation zwischen Georgien und Russland. Auch wenn die App teilweise komische Sätze zustande brachte war klar, dass die beiden an Russland und der aktuellen Regierung von Georgien keine grosse Freude hatten.
So endete mein erster Tag alleine und diese wunderbare Begegnung bekräftigte mich gleich darin auch ohne meinen Bruder weiter in Richtung Osten zu fahren.
Via neugebauter und praktisch unbefahrenen Autobahn gelangte ich ins 90km entfernte Geguti. Dank Fiona, die im gleichen Berner Leichtathletikverein ist wie ich, wurde ich bereits von der nächsten Familie erwartet. Linda die Nichte von Amiran und Nana kümmerte sich um alles und zeigte mir den gesamten Weinkeller. Als nicht Weinkenner war ich von den Abläufen der Lagerung und im speziellen der georgischen Weinlagerung im Boden sehr beeindruckt. Zudem bauen sie das Weingut aktuell aus und ihr Plan ist es nebenbei eine Gaststätte aufzubauen.
Wir nutzten den zweiten Tag um die nahgelegene ehemalige Hauptstadt Kutaissi zu besichtigen. Linda, Avto und ich besuchten als erstes die grösste russisch orthodoxe Kirche der Stadt, in welcher sogleich eine Taufe in vollem Gange war. Von dem Vorplatz der Kirche aus, hatte man einen wunderbaren Überblick über Kutaissi. Danach fuhren wir aufs Land und Begutachteten eine Art Schlucht mit einem historischen Kloster. Zudem gab es die Prometheus Höhlen zu bestaunen. Die Hallen im Inneren des Berges waren sehr imposant und ich bestaunte die unzähligen Stalaktiten und Stalagmiten häufig so lange, dass ich den Anschluss an die Gruppe verlor. Glücklicherweise gibt es nur ein vorgesehener Weg und so konnte ich mit Linda und Avto die Rückfahrt auf einem unterirdischen Fluss geniessen.
Es tat gut sich nicht direkt in die Einsamkeit ohne Bruder zu stürzen und solche neue Freunde zu finden. Nach zwei Tagen entschloss ich mich den soeben zurückgelegten Weg in Georgien zu einem Stück nochmal zurückzulegen. Konstantin und Alice, zwei Radreisende aus Stuttgart, hatten nämlich via den sozialen Medien Kontakt mit mir aufgenommen. Sie hatten bisher eine sehr ähnliche Route wie David und ich zurückgelegt. So machte ich an diesem Tag etwas mehr als 100 Zusatzkilometer und wurde schlussendlich mit Reisefreundschaft für etwas mehr als eine Woche belohnt. Wir nahmen es gemütlich, erkundigten erneut Kutaissi und brachen an einem regnerischen Tag mit unseren Rädern auf Richtung Tiflis. Wir legten einige Höhenmeter zurück und übernachteten aufgrund des Schnees und der Kälte in diesem verlassenen Gebäude.
Alice und Konstantin sind beide 24 jährig und lebten während ihrem Studium in Zürich. Von Zürich aus starteten sie Ihre Radreise und dies exakt 10 Tage nachdem David und ich aufgebrochen sind.
Nahe der Stadt Gori besuchten wir eine Höhlenstadt welche stark dem Wind ausgesetzt war. Der Ausblick von dort ging über das ganze Tal und die georgische Natur zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Gestärkt mit diesen Bildern im Kopf übernachteten wir nocheinmal bei gefrier Temperaturen draussen bevor wir nach Tiflis radelten. Wir drei teilten den gemeinsamen Eindruck: Georgische Strassen, sind bisher die gefährlichsten Strassen. Überholmanöver werden in Kurven und bei noch so ausgezogenen und doppelten Mittelstreifen mit enormer Geschwindigkeit durchgeführt.
In Tiflis nahmen wir uns für vier Tage eine kleine, günstige Wohnung und absolvierten als erstes eine “Free walking tour”. So lernten wir auch die hinteren Gassen der Stadt kennen. Uns wurde gesagt dass Tiflis aufgrund der Besetzung von Persern, Osmanen und zuletzt der Sowjet Union 26 Mal dem Erdboden gleich gemacht wurde. So hatte es in der Stadt selbst nur wenige historische Bauten und dennoch hatte sie ihren eigenen Charm. Nach Istanbul ist Tiflis für mich die Nummer zwei der bisher besuchten Städte. An unserer Wohnung schätzten wir am meisten die Heizung und das fliessende warme Wasser.
Nebst den sehr gastfreundlichen Familien hatte ich jedoch den Eindruck, dass die sonstigen Landsleute relativ mürrisch und im Umgang nicht sehr zuvorkommend waren. So wurde Alice bespielsweise auf der Strasse von hinten angerempelt und kriegte von der Frau obendrauf noch einen strengen Blick zugeworfen.
Zu dritt mieteten wir ein Auto und fuhren damit in die Berge um Ski zu fahren. Von Stefansminda aus konnte man einer der höchsten Berge Georgiens, Kazbegi sehen. Das Skigebiet lag dann in Gudauri und die höchsten Punkte waren auf 3000 Metern über dem Meer. Dennoch fehlte der Schnee. Es reichte gerade um auf den, mit paar Zentimetern schneebedeckten und vereisten Hügel runterzufahren. Ich hatte dennoch grosse Freude am Skifahren. Die Klimaerwärmung war jedoch auch hier zu spüren.
Da ich noch einige Dinge in Tiflis erledigen wollte, trennten sich die Wege. Alice und Konstantin brachen auf in Richtung Aserbaidschan und Iran. Ich suchte mir ein Hostel und deponierte mein Gepäck in einem Zimmer mit zehn Betten. Im Anschluss suchte ich eines der Fahrradgeschäfter auf, welches ich im Internet kontaktiert hatte. Leider hatte das Geschäft nicht die passenden Bremsbeläge aber ich konnte sämtliches Werkzeug nutzen um mein PAPALAGI auf Vordermann zu bringen. Während fast drei Stunden tauschte ich die Schläuche und Bremsen aus und kümmerte mich um das Wohl der Getriebeschaltung.
Vor dem Hostel mit frisch gewartetem Fahrrad angekommen traf ich auf den Briten Rowan. Er befand sich mit seinem Fahrrad auf dem Rückweg von Singapur. In Tiflis kam ihm sein Reiserad abhanden und mithilfe einem Aufruf in den sozialen Medien, konnte dieses wieder gefunden werden. Auch im Gespräch mit Rowan wurde mir bewusst, wie wichtig eine Sprache sein kann um mit anderen Reisenden sich tiefer austauschen zu können.
Mit dem Visazeitplan im Hinterkopf brach ich dann in Richtung Grenze zu Aserbaidschan auf. Auf dem Weg dorthin, wurde ich auf einer zweispurigen Strasse vom Pannenstreifen weggehupt. Ein Hochzeitskonvoi von rund zehn Autos bildete mit den Fahrzeugen bei rasanter Fahrt einen Kreis. In der Mitte dieses Kreises befand sich wohl der Wagen des Brautpaares. So donnerte diese Formation mit unglaublicher Geschwindigkeit an mir vorbei und auch auf dem Pannenstreifen fahrend, hupten sie alles aus dem Weg was ihnen in die Quere kam.
Mit diesem negativen Verkehrserlebnis aber auch den schönen Bildern der georgischen Landschaft, verbrachte ich meine letzte Nacht im Lande unweit der Grenze.
In der untenstehenden Grafik sind der Projektstand und der Unterstützungsbetrag für das Hilfsprojekt in Davao, Philippinen ersichtlich:
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