03. Dezember 2019
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Das erste Mal wurden wir mit unseren Fahrrädern am Zoll skeptisch gemustert und gefragt weshalb wir mit solchen Reisefahrrädern einreisen möchten. Als wir sagten wir wollen Istanbul touristisch erkunden liess er uns dann zum nächsten Posten passieren. Generell handhaben wir es so, dass wir immer die nächste grössere Stadt nennen, denn wenn wir direkt China als Zieldestination nennen glauben uns nur Radreisende. Beim nächsten türkischen Zöllner angekommen, hatten wir auch die Premiere der Inspektion unserer Gepäckstücke. Mit etwas grösserem Zeitaufwand und dreimaligem Vorweisen unserer Idenitätskarten, passierten wir die Grenze problemlos.
Kesan lautete die Stadt in welcher wir uns verpflegten und diese noch passieren wollten um so weit wie möglich von der Grenze entfernt unser Zelt aufzubauen. Im Einkauszentrum ging David nach einem türkischen Menü ausschau halten, währenddessen ich auf der Terrasse unserer Räder bewachte. David erschien mit einem leckeren, von mir als oberste Priorität gewünschten, Teller mit Lammfleisch und einem jungen Mann namens George. George lebt in der uns bestens bekannten griechischen Stadt der Mückenstrände “Alexandroupoli” und hatte uns zuvor in selber Stadt gesehen und habe uns mit unseren Räder sofort wieder erkannt, weshalb er David dann auch ansprach. Er kaufe häufig in der Türkei ein, da es hier billiger sei. Wir genossen die Gesellschaft von George und die erste Bekanntschaft mit der türkischen Küche.
Unser Zelt platzierten wir auf einem hübschen Hügel oberhalb der Stadt Malkara. Zwar sind wir uns die Gebete von den Moscheen von gewissen Balkanstaaten schon gewohnt doch am nächsten Morgen erwachte ich deshalb. An dieser Stelle kann gesagt werden, dass wir meist mit dem Sonnenuntergang schlafen gehen und mit dem Sonnenaufgang wieder aufstehen. So kommen wir locker auf 10-13 Stunden Schlaf. Den fremden Worten und Klängen des Imams lauschend, der mit diesen die Leute zum Gebet einlädt, genoss ich den Sonnenaufgang, währendessen David noch etwas weiter döste.
Wie häufig reichte das am Vortag getankte Wasser mit dem Kochen, Trinken und meiner bescheidenen Körperhygiene bis zum nächsten Mittag. Am Fusse eines Hügels der einen Aufstieg über 3 Kilometer und etwa 250 Höhenmeter hatte, stärkten wir uns bei Café, Süssgetränk, Chips und Süssigkeiten an einer Tankstelle. Gerade losgefahren hatte David nach einigen Metern das Gefühl er müsse jetzt an diesem Brunnen seine Wassertanks auffüllen. Zu sehr weiss ich wie jedes Gramm beim Aufstieg spürbar ist und zudem bin ich geprägt von den Bildern der “Tour de France” wie die Fahrer in den Anstiegen des “Mont Ventoux”, “Alpe d’Huez” und wie die mächtigen Berge alle heissen, ihre Bidons leeren. So nahmen wir den Hügel getrennt in Angriff. Auf dem Gipfel angekommen hatte ich reichlich Zeit, die Natur und die am anderen Fusse liegende Stadt Tekirdag zu bestaunen.
Auf der letzten Etappe nach Istanbul stärkten wir uns bei Yilmaz mit einem Dürüm. Er empfing uns mit offenen Armen und verabschiedete sich für uns ungewohnt, jedoch üblich unter Männern in der Türkei, mit zwei Kopfberührungen die der Backenkussbewegung sehr ähnlich sind. Je näher wir an Istanbul kamen desto mehr nahm die Frequenz der an uns vorbei rauschenden Autos und Lastwägen zu. Die Strecke war bis auf den letzten Abschnitt relativ flach. Dank einem beträchtlichen Aufwand unser Sponsoren, konnten wir vor der Abfahrt in der Schweiz Rennradlenker an unseren Tourenvelos montieren. Auf diesem Tourenabschnitt aber auch auf der ganzen bisherigen Reise zeichnete sich diese Lenkerauswahl als die Beste aus. Nur so konnten wir flowartig mit dem Verkehr fahren und meisterten die schlussendlich 131 Kilometer ohne gröbere Zwischenfälle. Mir setzte gegen Ende der Verkehr jedoch ziemlich zu, was sich in der Konzentration zeigte: ich hatte meinen ersten Sturz. Zu nahe im Windschatten von meinem Bruder fahrend, touchierte ich seitlich, bei etwa 20Km/h fahrend, leicht seine Gepäcktasche. Ich verlor die Balance, konnte mein Rad fast noch halten, dieses landete ohne grobe Kratzer im Strassengraben. Als filmreif beschrieb David die Szene, denn wie durch ein Wunder konnte ich intuitiv von meinem schwankenden Rad abspringen und landete unversehrt auf den Füssen. Somit war ich dann sehr froh als wir in unserem Appartement inmitten der touristischen Hotspots in Istanbul ankamen.
Wir verbrachten 5 Ruhetage in der für uns so faszinierenden und belebten Stadt. Das zwei Kontinente an einem Ort aufeinandertreffen haben wir so noch nie erlebt. Es war ein Eintauchen in eine neue und sehr gastfreundliche Kultur. Erholung pur fanden wir im Hammam, Wissenserweiterung zum Islam in einem Vortrag und dem anschliessenden Besuch der “blauen” oder auch bekannten “Sultan Ahmet Moschee” und etwas für den Kopf im historischen Museum für islamische Technologie. Für mich ist Istanbul das wahrhaftige “Tor zum Orient”.
Nach diesen inspirierenden Ruhetagen führte uns der Weg an das schwarze Meer. Der Küste entlang fahrend, mussten wir schauen, dass wir überhaupt noch dazu kamen unser Zelt Abseits der Städte aufzuschlagen, da wir bei fast jedem Halt zu Çay (türkischer Schwarztee) eingeladen wurden. Das wir auch unterwegs ständige Energie in Form von Äpfeln, Brot, Zuwinken und motiverendem Autohupen erhalten, ist Zeuge von dem aus unserer Sicht bisher herzlichsten Land, welches wir auf unseren Fahrrädern erleben durften.
Die Küste des schwarzen Meeres stellte ich mir etwas flacher jedoch auch karger vor. Erlebnisreich war die Entdeckung einer Ruine in welcher wir ohne Aufstellen des Zeltes im Trockenen übernachten konnten. Ausgeschlafen und voller positiven Emotionen brachte uns eine erneute Begegnung mit einem Jäger nicht mehr so schnell aus dem Konzept. Wir befanden uns ja auch nicht mehr im Gebüsch wo man uns mit Wildtieren verwechseln konnte, sondern hatten für diese eine Nacht die “eigenen” vier Wände.
Der letzte Streckenabschnitt war wie so oft von weiteren bleibenden Begegnungen mit Vater und Sohn, Studenten und Bauunternehmer geprägt. Unterdessen sind wir für einen nächsten Ruhetag in “Amasra” angekommen und erlebten auf dem Weg dorthin einen spürbaren Wetterumbruch, hoffen jedoch auf keinen baldigen Wintereinbruch. Wir wurden im letzten Streckenabschnitt bis auf die Knochen nass, so dass uns die Wasserfluten aus den Pfützen der vorbeifahrenden Lastwagen nichts mehr anhaben konnten.
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